Qigong und Gesundheit

Qigong- Grundlagen

Die Lehre vom Qi ist komplex und aus der chinesischen Philosophie (insbesondere dem Taoismus), der sie entstammt, nicht ohne weiteres in unsere Sprache und in das im Westen noch noch vorherrschende mechanistische Weltverständnis übertragbar. So kann Qi, ebenso wie dessen Leitbahnen durch den Körper (Meridiane), nach naturwissenschaftlichen Kriterien nicht gemessen werden. Auch zugrundeliegende Konzepte wie die Fünf-Elemente-Lehre oder das Denken in Yin und Yang sind nicht aus einer theoriegeleiteten, sondern beobachtenden Wissenschaft entstanden. Die beste Art, Chi wahrzunehmen, ist Qi zu spüren, was somit ein körperlicher und kein intellektueller Erkenntnisprozess ist und Üben erfordert. Vereinfacht kann Qi mit Lebens- oder Vitalkraft, ähnlich wie Pneuma oder Orgon, übersetzt werden. Gong steht für Übung, Arbeit, Kultivierung oder Praxis. Qigong (manchmal auch Chi Kung, ch’ikung oder Qi Gong geschrieben) bedeutet somit sehr weit gefasst „energetisches Arbeiten“ (Schwerdt, 2004, 30f) „Übung mit der Energie“ (Kasenda, 2004, 36f) oder „Chi entwickeln“. Synonyme sind Tuna oder Daoyin. Qigong kann als jede Praktik verstanden werden, die Einfluss auf unser Energiesystem nimmt, also auch Ernährung, Medikamention und sexuelle Techniken (Schwerdt 30f). Von zentraler Bedeutung und Gegenstand der folgenden Betrachtung sind meditative Atem- und Bewegungsübungen, die mit dem Begriff Qigong bezeichnet werden.

Hier gibt es zahlreiche Übungssysteme mit einem breiten Spektrum zwischen Stille und Bewegung, inneres und äußeres Qigong, Anwendungen in Medizin und Kampfkunst (wie Taiji Quan), spiritueller Weg und Transformation der Emotionen.

Gleichgewicht

Bei all dieser Vielfalt und unterschiedlichen Schwerpunkten von Qigong ist ein gemeinsamer Nenner, das Gleichgewicht zu finden, in mehrfacher Hinsicht: Das Gleichgewicht im Menschen, zwischen Mensch und Natur und zwischen den Energien in unserem Körper. In der zugrundeliegenden chinesischen Philosphie, aber auch in den Konzepten alter Kulturen und Alltagsweisheiten („pantha rei“, „Bewegung ist Leben“, „Wer rastet der rostet“) ist ein ausgeglichener Energiefluss für Gesundheit und Wohlbefinden unabdingbar (Cassileth, 2011, 133). Unsere Körper können von äußeren Energien, wie Kälte, aber auch inneren Faktoren wie Emotionen aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Eine ständige Unterdrückung des Zorns beispielsweise führt zu einer Blockierung der Leberenergie. Krankheit wird als Blockade des Energieflusses verstanden.

Durch regelmäßiges Praktizieren der meditativen Bewegungen, einer bewussten Atmung und einer entsprechenden Achtsamkeit werden dieser Energiefluss wahrgenommen und reguliert, Blockaden gelöst und das energetische Gleichgewicht wiederhergestellt. Dieses Gleichgewicht zwischen den Energien in unserem Körper ist in der der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) die wichtigste Voraussetzung für unsere Gesundheit. Qi wird besser im Körper verteilt, Blut, Lymphe, Nervensystem und alle Organe werden ausreichend versorgt.

Doch nicht nur die Bewegung ist es, die Qigong ausmacht: Die schonenden Bewegungen sind im Qigong eine innere Schulung. Statt Muskelkraft und Schnelligkeit steht die Entspannung und das Finden von Ruhe in der Bewegung und im Geist im Vordergrund. Qigong eignet sich hervorragend als Gesundheitsprävention. Mit der durch achtsames Üben deutlich gesteigerten Körperwahrnehmung werden Nerven und Rückenmark gekräftigt. Durch die meditativen Bewegungen wird die Konzentrationsfähigkeit geschult und der ganze Körper wird gekräftigt. Zudem könnten die Übungen das gesamte Immunsystem stärken.

Gesundheit

Die gesundheitsfördernde Wirkung des Praktizierens von Qigong ist vom chinesischen Gesundheitsministerium anerkannt. Zahllose Berichte beschreiben die positiven Auswirkungen von Qigong. Qigong eignet sich hervorragend als Prävention. Mit der durch achtsames Üben deutlich gesteigerten Körperwahrnehmung werden Nerven und Rückenmark gekräftigt. Durch die meditativen Bewegungen wird Konzentrationsfähigkeit geschult und der ganze Körper wird gekräftigt. Die Übungen können das gesamte Immunsystem stärken.

Bei aktuellen Krankheiten wurden positive Wirkungen bei Gefäßkrankheiten und zu hohem aber auch zu niedrigem Blutdruck beobachtet. Spezielle Übungen werden in der Psychotherapie und sogar als medizinische Begleitung von Krebserkrankungen angewandt (Schwabe, 2010, 216ff).

Wissenschaft

Sucht man in wissenschaftlichen Datenbanken nach empirischen Studien zu Qigong, ist die erste Erkenntnis dazu, dass nach Standards der westlichen Wissenschaft die Forschung über die gesundheitlichen Auswirkungen von Qigong noch in den Kinderschuhen steckt. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die naturwissenschaftlich geprägte westliche Medizin eine Tendenz aufweist, Dinge zu analysieren, also in seine Einzelteile zu zerlegen, anstatt ganzheitlich-zusammenhängend wahrzunehmen.

Wie lässt sich aber mangels evidenter Datenbasis die Wirksamkeit von Qigong auf naturwissenschaftlicher Ebene erklären?

Qigong ist auch Achtsamkeits- und Meditationspraxis. Dazu wiederum finden sich zahlreiche klinische Studien über die positiven Auswirkungen von Achtsamkeits- und Meditationspraxis im Bereich der Kognitions- und Neurowissenschaften in den USA (vgl. Britton/Syndon 2010).

Als eine besondere Art von Qigong kann Taiji Quan betrachtet werden. Dazu gab es in den letzten Jahren zahlreiche empirische Untersuchungen, in denen ein positiver Effekt auf das Wohlbefinden nachgewiesen werden konnte (vgl. Gruninger 2003). Es ist besonders für die Stressreduzierung geeignet (Duckstein, 2010, 64). Weiters liegen bereits Studien und Metaanalysen vor, die positive Auswirkungen auf das Immunsystem belegen (vgl. Oh et al 2020). Details werden aus Platzgründen in einem weiterführenden Beitrag erläutert.

Literatur

Britton W., Sydnor, A. (2015). Neurobiological Models of Meditation Practices. Implications for Applications with Youth. In C. Willard & A. Salzmann (Hrsg.), Teaching Mindfulness Skills to Kids and Teens (S. 402–426). New York: The Guilford Press.

Cassileth, Barrie R. The Complete Guide to Complementary Therapies in Cancer Care: Essential Information for Patients, Survivors and Health Professionals. Singapore; Hackensack, NJ: World Scientific, 2011.

Duckstein, Jörg (2010) Tai Chi Chuan: Stressreduzierende Effekte und Ihre Nachhaltigkeit.“ (Dissertation, Medizinische Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin)

Gruninger, Nicolai. (2010) Studie über Die Auswirkungen Von Tai Chi auf Das Befinden Von Mitarbeiter (Diplomarbeit, Universität Wien)

Kasenda. Sie L. (2004). Fünf Elemente Qi Gong. München: Kösel

Schwabe, Kerstin. GuoLin-Qigong. (2010) In Diegelmann, Christa, and Jörg Beyer. Ressourcenorientierte Psychoonkologie: Psyche Und Körper ermutigen. 1. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer (216-225)

Schwerdt, Paul S. (2004) Mit Qigong durchs Jahr. Berlin: Theseus

Oh, B., Bae, K., Lamoury, G., Eade, T., Boyle, F., Corless, B., … Back, M. (2020). The Effects of Tai Chi and Qigong on Immune Responses: A Systematic Review and Meta-Analysis. Medicines, 7(7), 39.